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  4. Timothée Chalamet in Netflix «The King» ist Best Dressed 2019

Ein Beautiful Boy zum Weltmännertag

Warum Timothée Chalamet der Mann der Zukunft ist

Er trägt Latzhose, rappt aber nur zum Spass. Er sieht in Pailletten gut aus und steht auf Frauen. Er trägt funkelndes Harness und ist nur bedingt (bis gar nicht) muskulös. Jetzt wurde Timothée Chalamet zum «Most Powerful Dresser» gekürt – und definiert so Maskulinität neu.

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Die Tränen fliessen hemmungslos bei Elio. Die Augen rot unterlaufen, die Verzweiflung darin so herzzerreissend, dass man nicht anders kann, als sich auch völlig gehen zu lassen. Es ist die Schlussszene des Filmes «Call Me By Your Name», in der der 17-Jährige am Telefon erfährt, dass die Liebe zu Oliver, die in einem italienischen Sommer voll saftiger Früchte so honigsüss herangewachsen war, endgültig keinen Sinn macht. Oliver hat sich verlobt. Und während man so mitschluchzt, fällt auf: Man ist (mindestens dann) ziemlich verknallt in Elio. Also in Timothée Chalamet. Nicht in Armie Hammer, der den älteren, souveränen Oliver spielt – mit machohaft offenem Hemd, Brusthaar und einem anständigen Körper. Des Internets neuer Boyfriend ist nicht mehr der sexy Hollywood Hunk, nein, es ist der heulende Hering.

Wer nicht hören will, muss fühlen

Time’s Up für den Mainstream-Helden. Wer braucht aggressive, mächtige Muskelberge, wenn man sich in Welpenlocken und dem ungelenken Lächeln eines 23-Jährigen verlieren kann. Die Autorin Anne T. Donahue hat im harten Kontrast zum hypermaskulinen Heartthrob den Begriff «Artthrob» in die Runde geworfen und beschreibt damit eine neue eloquente Generation, die lesend (oder wie Elio Noten transkribierend) im Café gespotted wird anstatt im Gym Selfies zu posten. Timothée hat mit seiner Newcomer-Rolle in «Call Me By Your Name» gezeigt, dass Verletzlichkeit weder Schwäche noch soziale Barriere ist.

«Es bedeutet nicht, dass du verrückt oder hyper-emotional bist, sondern nur, dass du menschlich bist. [...] Menschen sind komplex, wir müssen jede Menge fühlen. Wir sind nicht homogen»,

so der Schauspieler zum i:D Magazin im November letzten Jahres. Fühlen ist das neue Pumpen. Den so begehrten sensiblen Körper hüllt Timothée bei öffentlichen Auftritten mit Vorliebe in High Fashion. In Looks, die glänzen, die knallen, die romantisch oder feminin sind, aber auch herausfordern. Dem virilen Klischee von sexy entsprechen sie nicht. Der Schauspieler trägt sie, weil er selbsternannter «Fanboy» von Designern wie Raf Simons, Haider Ackermann, Virgil Abloh und Hedi Slimane ist. Ihre Kunst verehrt er abgöttisch. So wurde der Junge ohne Stylist jetzt von der Mode-Suchmaschine Lyst zum männlichen «Most Powerful Dresser» gekürt. Was er trägt, hat Gewicht (vielleicht mehr als er selbst), hat Einfluss, gibt eine Richtung vor.

Das Verliebt-Sein ist dringend notwendig

Gerade reitet er in der Netflix-Produktion «The King» durch Grossbritannien und robbt durch den Matsch auf unsere Couch. Im echten Leben ist er während der Dreharbeiten leider Schauspiel-Kollegin Lily-Rose Depp erlegen. Und so kam es, wie es kommen musste: Die junge Elite Hollywoods wurde knutschend auf einer Yacht in Italien gesehen. Lily-Rose umklammert auf Paparazzi-Bildern das zarte Gesicht, das einer griechischen Knabenskulptur kaum ähnlicher sein könnte, mit festem Griff. «Pass auf, er ist doch so zerbrechlich», möchte man mit einem Hauch Neid in der Stimme rufen. Sie lässt ihn (zurecht) nicht los, hat ihn in der Hand. Da kann Timothée noch so viele Lederhosen von Celine tragen, die ihm einen vermeintlichen Bad-Boy-Status verleihen. Sein Bild von Männlichkeit ist laut eines Interviews mit i:D eh ein ganz anderes:

«Du kannst sein, was auch immer du sein möchtest. Um männlich zu sein, musst du keiner bestimmten Vorstellung entsprechen, keine bestimmte Jeansgrösse oder ein bestimmtes Muskelshirt haben, keinem Gehabe wie Augenbrauenhochziehen oder Drogenkonsum folgen. Es ist aufregend. Es ist eine mutige neue Welt.»


Wenn sich Maskulinität nun neuerdings in Verletzlichkeit und Feminität manifestieren darf und muss, ist das vermutlich die logische Konsequenz nach Skandalen um Männer wie Bill Cosby, Harvey Weinstein und Woody Allen. Bewegen wir uns tatsächlich weg von einer Gesellschaft, die die viel diskutierte «toxic masculinity» so lange akzeptiert hat? Man kann vom hübschen Timmy halten, was man will, aber ganz offensichtlich ist die allgegenwärtige Obsession ein Fortschritt. Die spitzen Schreie, die jedes Mal bei seinem Anblick ausgestossen werden, sind also Therapie. Amen, omm und hach.

In diesem Sinne: Happy Weltmännertag ♡

Von Linda Leitner am 19. November 2019 - 12:00 Uhr