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Cavalli vs. Ferragni

Warum ist Unterwäsche plötzlich so politisch?

Chiara Ferragni und Victoria’s Secret haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Warum die zwei aktuell wie Pech und Schwefel zuammengehören? Das liegt an der Unterwäsche.  

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Chiara Ferragni
Getty Images

Vor ein paar Tagen postete Chiara Ferragni, von vielen als Königin der Influencer betitelt, ein Bild von sich in Unterwäsche. Das ist ihr Job. Sie macht Werbung auf Social Media – und wenn genug Cash fliesst eben auch für eine italienische Wäschemarke. Doch dann zog plötzlich Sturmtief Roberto auf. Das heisst mit Nachnamen Cavalli und findet Ferragnis Business-Konzept so gar nicht gut: «Du wirbst hier nur für deinen Bauchnabel und bist nur eine Geldmaschine», rüsselt der italienische Designer in der Instagram-Kommentarspalte zum Post. Und weiter: «Du stillst nicht, weil du deine Brüste nicht ruinieren willst.»

 

Es passiert so dermassen viel in diesem Kommentar, dass wir das kurz aufschlüsseln müssen. Cavalli mag keine Influencer (das sei ihm gegönnt) und ob Ferragni Spass am Job hat, ist eigentlich auch egal. Er muss sie ja nicht buchen. Ihre Brüste und ihre persönliche Entscheidung, ihren 8 Monate alten Sohn Leone Lucia (angeblich) nicht zu stillen, haben mit beidem herzlich wenig zu tun (By the way: Es gibt wahnsinnig viele Gründe, weshalb Frauen nicht stillen. Manchmal können sie auch einfach nicht. Brüste sind sowieso Privatsache, so im Generellen). Die Dame im Bild macht gerade Werbung für Unterwäsche. Auch das ist in unseren Breitengraden nicht verboten.  

Welche Laus Roberto Cavalli da über die Leber gelaufen ist, werden wir vermutlich nie ergründen. Doch am Thema Unterwäsche entzünden sich aktuell die Gemüter. So wird Emily Ratajkowski regelmässig vorgehalten, dass die gerne nur leicht bekleidete 27-Jährige der feministischen Sache einen Bärendienst erweist. Halbnackte Frau und dann auch noch Feministin? Ja also sowas hat die Welt noch nie gesehen. 

Ein Spitzentanga ist nie ein automatisches «Ja» zu Sex

Den traurigsten Peak erreichte die Debatte um Damenunterwäsche unlängst in Irland. Ein 17-jähriges Vergewaltigungsopfer musste sich von der Anwältin des mutmasslichen Straftäters anhören, dass ihr Spitzentanga ja geradezu nach Sex geschrien habe. Anders formuliert: Mit dem Tragen eines Stücks Unterwäsche wird laut des Opfers nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr als ok legitimiert. Wäre der Typ verknackt worden, wenn die junge Frau einen Baumwollschlüpfer mit Blümchen drauf getragen hätte? Leider werden wir das nie wissen. Immerhin rauscht eine Welle der Solidarität durchs Internet. Unter dem Hashtag #ThisIsNotConsent posten Frauen ihre Unterhosen.  

Und was macht das wohl berühmteste Wäsche-Massen-Label der Welt derweil? Victoria’s Secret verkauft weiterhin standhaft den amerikanischen Traum vom Glück dank Schlüpfern. Dummerweise wollen den immer weniger Menschen sehen (oder kaufen, das Label hat mit den Zahlen zu kämpfen). Die Ausstrahlung der diesjährigen Show am 2. Dezember hat mit historisch tiefen Quoten zu kämpfen. Nur noch 3.3 Millionen Zuschauer in der relevanten Zielgruppe. Angeblich noch halb so viele wie 2017. Das verkaufte Schönheitsideal, dieses eindimensionale Frauenbild, wird selbst so manchem Engel zu viel. Immer wieder kündigen die Damen ihre Verträge, weil sie da nicht mehr mitmachen wollen.

Im echten Leben ziehen bodypositive Labels oder Rihannas Savage X Fenty längst am Wühltischcharme der VS-Höschen vorbei. Wieso das weibliche Drunter so drüber geht, bleibt weiterhin unklar. Inzwischen hat sich auch Sturmtief Roberto beruhigt. Er soll Ferragni einen Blumenstrauss mit Entschuldigung geschickt haben. Das wäre mit dieser simplen Regel leichter gegangen: Unterhosen senden keine Botschaften, nein heisst nein und Chiara Ferragni und alle anderen Frauen dürfen mit ihren Brüsten machen, was sie wollen.

Von Bettina Bendiner am 6. Dezember 2018 - 17:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 11:49 Uhr